12. Februar 2025
Hausarztpraxen in Not: Podiumsdiskussion zeigt Handlungsbedarf

HÄVBW
Versorgungslücken und Herausforderungen im Praxisalltag
Dr. Markus Pohle, seit zwölf Jahren Hausarzt in St. Peter und Delegierter des Hausärztinnen- und Hausärzteverbands Baden-Württemberg, beschrieb eindrücklich die Vielseitigkeit und die Belastungen des hausärztlichen Berufs: "Als Hausärzte sehen wir in unseren Praxen die gesamte Bandbreite der medizinischen Versorgung. Von der Akutversorgung über die Prävention bis hin zur Versorgung chronisch Erkrankter – das ist anspruchsvoll und herausfordernd, macht aber auch großen Spaß."
Auch Dr. Marina Straub, Hausärztin in Breitnau, verdeutlichte die dramatische Lage: "Ich habe mich vor vier Jahren in einer Einzelpraxis niedergelassen. Mein Einzugsgebiet umfasst 40 bis 50 Kilometer. In der näheren Umgebung haben in den letzten Jahren drei Praxen geschlossen, deren Patient:innen wir nun zusätzlich versorgen müssen. Besonders herausfordernd ist die fehlende kinderärztliche Versorgung, sodass wir auch viele Kinder behandeln." Sie betonte zudem die enge Patientenbindung: "Die langfristige Begleitung unserer Patient:innen ermöglicht uns ein wertvolles biografisches Wissen, das für eine hochwertige primärärztliche Versorgung essenziell ist."
Politische Lösungsansätze und die Rolle der HZV
Rita Schwarzelühr-Sutter, SPD-Bundestagsabgeordnete und parlamentarische Staatssekretärin im Innenministerium, wies auf die demografischen Herausforderungen und den Wandel in der ärztlichen Berufswelt hin: "Der Trend zur Teilzeit und Anstellung ist eine Entwicklung, die wir berücksichtigen müssen. Ich bin froh, dass wir die Entbudgetierung auf den Weg bringen konnten – sie schafft zumindest etwas finanzielle Sicherheit für Hausärzte."
Auch Florian Wahl, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag Baden-Württembergs, begrüßte diese Maßnahme: "Die Entbudgetierung ist eine wichtige Anerkennung für Ihre Tätigkeit. Hausärzte sind die Lotsen im Gesundheitswesen und eine zentrale Säule der medizinischen Versorgung. Wichtig ist aber auch, dass Hausarztsitze in der Regel nicht über Nacht frei werden, es braucht daher eine vorausschauende Bedarfsplanung."
Dr. Pohle machte deutlich, dass für eine nachhaltige Versorgung verschiedene Maßnahmen notwendig sind: "Es braucht eine deutliche Entbürokratisierung und eine Stärkung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Unsere Existenz sichert die hausarztzentrierte Versorgung (HZV). Ohne die HZV könnten wir unsere Praxis nicht mehr finanzieren." Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband hat daher eine Petition gestartet, die unter anderem eine Stärkung der Hausarztpraxen und der HZV fordert. "Nur mit einer starken HZV kann eine hochwertige hausärztliche Versorgung erhalten bleiben."
Pohle betonte zudem die Innovationskraft der HZV: "Die HZV stärkt unsere Praxen, weil sie unsere Rolle als erste Anlaufstelle für Patient:innen festigt. Sie basiert auf drei Pauschalen, darunter eine Vorhaltepauschale, die unsere Infrastruktur finanziert. Ein immer wichtigeres Thema ist die Delegation: Die Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis (VERAH) wurde in der HZV entwickelt und entlastet uns erheblich. Auch akademisches nichtärztliches Personal wird in der HZV finanziert."
Attraktivität des Berufs stärken – Teamarbeit als Schlüssel
Dr. Straub sieht großes Interesse am hausärztlichen Beruf unter Medizinstudierenden, doch viele schrecken die Rahmenbedingungen ab: "Die Ausbildung dauert im Durchschnitt zwölf Jahre. Am Ende dieses langen Weges sind viele angehende Fachärztinnen und Fachärzte von den Bedingungen abgeschreckt. Wir müssen diese so gestalten, dass der Beruf auch langfristig attraktiv bleibt."
Sie hob zudem die Rolle nichtärztlichen Personals hervor: "Mir macht die Arbeit im Team großen Spaß. Nichtärztliches Personal leistet bereits heute einen wichtigen Beitrag, und dieser kann in Zukunft noch wachsen. Damit schaffen wir auch eine berufliche Perspektive für Menschen, die kein Medizinstudium absolvieren, aber dennoch zur hausärztlichen Versorgung beitragen möchten."
Ganzheitliche Versorgung sichern
Schwarzelühr-Sutter betonte abschließend, dass die hausärztliche Versorgung mit einem ganzheitlichen Patientenbild erhalten bleiben müsse: "Hier muss umfassend gedacht werden. Die Krankenhausreform ist im stationären Bereich ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Versorgungsqualität. Für die ambulante Versorgung können auch kommunale Medizinische Versorgungszentren eine Perspektive bieten." Florian Wahl ergänzte, dass eine Stärkung der Hausärztinnen und Hausärzte in evidenzbasierten Strukturen erforderlich sei.
Fazit: Handlungsbedarf bleibt groß
An das große Publikum gerichtete stellte Florian Wahl fest: "Hätten wir diese Veranstaltung vor zehn Jahren gemacht, wären vielleicht acht Leute gekommen. Das zeigt, wie brisant und bedeutsam das Thema für die Bürgerinnen und Bürger geworden ist." Die Diskussion machte deutlich, dass die Herausforderungen in der hausärztlichen Versorgung erheblich sind und die Dringlichkeit weiter wächst.
Die Entbudgetierung ist ein wichtiger erster Schritt, doch weitere Maßnahmen wie eine bessere Bedarfsplanung, Entbürokratisierung und die Stärkung der HZV sind dringend erforderlich. Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband setzt sich mit Nachdruck für die Verbesserung der Rahmenbedingungen ein und ruft zur Unterstützung seiner Petition auf.
Unterstützen Sie unsere Bundestagspetition
Mit der Petition zur Rettung der hausärztlichen Versorgung stellen wir weitere Forderungen an die Politik. Helfen Sie mit, dass die Petition ein Erfolg wird: Bitten Sie Ihre Patient:innen, die Stärkung der Hausarztpraxen durch ihre Unterschrift zu unterstützen, und senden Sie die Unterschriftenlisten regelmäßig zurück, damit sie kontinuierlich ausgezählt werden können. Die Petition läuft noch bis 17. Februar. Alle Informationen rund um die Petition sowie die Rücksendemöglichkeiten finden Sie auf: