Dr. Carsten Köber
Noch in den ersten Jahren meines Studiums schien mein Weg in ein operatives Fach geebnet. Die Chirurgie war das Fach, das mich nach Pflegepraktika und entsprechenden Erlebnissen im OP und auf den Stationen eines Kreiskrankenhauses in den Bann zog. Klar, dass mir vor diesem Hintergrund die Anatomie und Präparierkurse zur Präferenz der Studienfächer avancierte.
Mit zunehmendem Progress der Studienzeit und vor allem nach den ersten Famulaturen auf einer internistischen und einer neurologischen Station, arbeitete sich eine Erkenntnis immer mehr an die Oberfläche meines Bewusstseins – der Kontakt zum und das Gespräch mit den Patient:innen kann einerseits einen Großteil der Diagnosestellung, andererseits aber auch durch eine empathische Gesprächsführung gar einen Teil der Therapie ausmachen. Fortan wuchs mein Interesse an der „sprechender Medizin“, praktische Fertigkeiten nahmen eher die Stellung einer begleitenden Notwendigkeit ein. Das Zünglein an der Waage sollte dann eine sechswöchige Famulatur in einer ländlichen Hausarztpraxis darstellen: Hausbesuche und Praxistätigkeit, ja das gesamt hausärztliche Spektrum faszinierten mich und hoben gleichzeitig meinen Respekt vor einem schier unbegrenzt breiten Wissensspektrum der Allgemeinmedizin.
Durch die allgemeinmedizinische Gemeinschaftspraxis meines Schwiegervaters war der Entschluss dann rasch gefasst – die Allgemeinmedizin in eigener Praxis sollte es werden! Schon die Stellensuche nach der Approbation 2004 richtete ich nach dieser Prämisse aus. So schlug ich Angebote etablierter spezialisierter Abteilungen (Kardiologische Fachabteilung, Gastroenterologie, etc.) aus und entschied mich, entgegen den Ratschlägen von Kolleg:innen, eher an „renommierten Häuser“ anzuheuern. Meine Entscheidung für den Einstieg als Arzt in Weiterbildung „Innere und Allgemeinmedizin“ an einem kleinen städtischen Krankenhaus mit den Fachabteilungen Innere Medizin, Chirurgie und Gynäkologie (mit zertifizierter Stroke Unit) bereute ich nie.
Kleine Häuser bieten den Vorteil eines weniger selektieren Klientel und damit eines breiteren Erkrankungsspektrums. Nach kurzer Einarbeitung folgten bereits nach drei Monaten die ersten Nachtdienste mit Zuständigkeit für Notaufnahme, internistische Stationen und Intensivstation. Parallel und selbstfinanziert belegte ich die Kursweiterbildungen Intensivmedizin und Notfallmedizin, sodass die Lernkurve, vor allem auch durch das breite Aufgabengebiet, stetig wuchs. Als großer Vorteil sollten sich an dem recht kleinen Haus auch flachen Hierarchien zeigen, die kurze Informationswege erlaubten.
In meinen drei Jahren Innere Medizin an dieser Klinik sah ich kardiologische Erkrankungen von hypertensiven Entgleisungen, allfälligen NSTEMI, STEMIS mit Pumpversagen, fulminanten Lungenembolien und frische Aortendissektionen. Auf gastrointestinale Blutungen, Karzinome oder Cholangitiden folgten unregelmäßig gastroenterologische Exoten, wie ein Boerhaave-Syndrom. Durch die neurologische Abdeckung und die Schlaganfallstation konnte ich Erfahrungen mit einer Vielzahl von potenziellen und manifesten Schlaganfällen und Blutungen sammeln. Doch suchten sich hier auch neurologische Patienten trotz fehlender Fachabteilung ihren eigenen Weg: MS-Erstdiagnosen, Gullain-Barre-Syndrom, Virusenzephalitiden, zentrale Borreliosen oder banale vestibuläre Neuropathien – all diesen Erkrankungen konnte ich in dieser spannenden Zeit begegnen.
Diese Aufzählung könnte ich beliebig fortführen, sie spiegelt die Vorteile einer Tätigkeit an eher kleineren Häusern als Grundlage für die hausärztliche Arbeit wider. Danach absolvierte ich zwei Jahre lang meine allgemeinmedizinische Weiterbildung in der Praxis, die ich als Gemeinschaftspraxispartner mitzuübernehmen vorhatte. Nach einer Einarbeitungsphase konnte ich, dank meiner breiten Vorbildung, rasch den Sprechstundenbetrieb selbständig übernehmen.
Nach der Facharztprüfung folgte 2010 meine Niederlassung. Durch eine Fusion ist die Praxis mittlerweile auf 3 Fachärzt:innen angewachsen – und es macht mir immer noch genauso viel Spaß, wie zu Beginn. Zeit für andere Dinge bleibt hier allemal: so beteilige ich mich ca. vier bis fünf Mal monatlich am Notarztdienst der örtlichen Rettungswache, engagiere mich im Hausärzteverband Baden-Württemberg, in der Bezirksärztekammer, bei der lokalen Ärzteschaft und in diversen Vereinen – und alles, ohne meine Familie vernachlässigen zu müssen.