02. August 2024
Minister Manfred Lucha zu Besuch in Baiersbronn
Foto: Abasoft/Alex Eteridou
Digitalisierung als Schlüssel zur Entlastung von Praxisteams
„Die Digitalisierung bietet eine wesentliche Möglichkeit, wie wir als Praxisteams effektiv entlastet werden können, vorausgesetzt, sie wird richtig umgesetzt“, betont Prof. Dr. Wolfgang von Meißner. Derzeit gehe es oft nur um die Elektrifizierung von Prozessen, ohne dass ein zusätzlicher Vorteil für die Patientenversorgung entsteht. Daher ist es ihm ein persönliches Anliegen, digitale Innovationen aktiv mitzugestalten und Lösungen zu entwickeln.
„Unser Ziel ist es, in der Praxis evidenzbasierte Medizin zu praktizieren und auf Grundlage unseres Erfahrungswissens, das aus der Beziehung zu unseren Patienten entsteht, gemeinsam mit ihnen eine optimale Versorgung zu gewährleisten. Aufgrund von Zeitmangel kommt dies heute oft zu kurz. Durch eine gute Digitalisierung können wir jedoch alles optimal vorbereiten und die Chance erhalten, diese Art der Medizin erfolgreich zu leben.“
Mehrwert durch Patienten-App
Wie dies konkret aussieht, präsentierte Professor von Meißner anschaulich in Form der Praxis-App, die er als Ergänzung zu den Vor-Ort-Angeboten in der Praxis in Zusammenarbeit mit einem Start-up und einem PVS-Anbieter entwickelt hat. „Damit digitale Tools die Praxis entlasten können, müssen diese ganzheitlich in die Praxisabläufe integriert sein. Medikamentenanforderungen können direkt in der App durchgeführt werden,“ auch durch Angehörige, falls Patientinnen und Patienten die App selbst nicht nutzen können, erklärt der Hausarzt. In der nächsten Stufe sei aktuell ein KI-Chatbot in Arbeit, der Anfragen bearbeiten und Arzt-Patienten-Kontakte oder Arztbriefe zusammenfassen kann.
Praxis-Check-In am Terminal
Auch in der Praxis selbst werden die Möglichkeiten der digitalen Kommunikation genutzt. Ein Patiententerminal erlebt seinen ersten Einsatz in Baiersbronn. Viele Prozesse, die bisher an der Anmeldung liefen, wie zum Beispiel das Check-in zum Termin mit der eGK, das Einscannen von Arztbriefen oder Medikationsplänen, die dann ins PVS eingespielt werden, können die Patientinnen und Patienten am Terminal erledigen. Die Resonanz ist gut: „Die Patientinnen und Patienten nutzen das Terminal sehr gerne, auch bei älteren gibt es überhaupt keine Berührungsängste“, erklärt von Meißner. Eine Innovation auch bei der Patienteneinschreibung: AOK-Patientinnen und -Patienten, die noch nicht in die Hausarztzentrierte Versorgung (HZV) eingeschrieben sind, können dies direkt am Terminal tun.
Minister Lucha beeindruckt von digitalen Lösungen
Der Minister zeigte sich von den digitalen Lösungen beeindruckt und betont: „KI und Digitalisierung sind Instrumente, die Sie einsetzen, trainieren und steuern, um am Ende dem eigentlichen Sinn Ihrer Arbeit gerecht zu werden – für die Patienten, für das Gemeinwohl und auch für den Erhalt Ihrer persönlichen Leistungs- und Arbeitsfähigkeit“, erklärt Minister Lucha.
Vor Ort waren neben dem Minister auch die Vorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverband Baden-Württemberg Dr. Susanne Bublitz, der Präsident der Landesärztekammer Baden-Württemberg, Dr. Wolfgang Miller, die CDU-Landtagsabgeordnete Katrin Schindele, der Landrat des Landkreises Freudenstadt, Dr. Klaus Rückert, der Bürgermeister von Baiersbronn Michael Ruf, der AOK-Geschäftsführer Nordschwarzwald, Claus Bannert sowie weitere Vertreter:innen von Wirtschaft, Kassen und Verbänden.
HÄPPI als Vision für eine zukunftsfähige Versorgung
Neben digitalen Prozessen sind für Professor von Meißner die Versorgung im Team unter Einbezug von nichtärztlichen akademischen Heilberufen wie Physician Assistant oder Primary Care Manager (PCM) von zentraler Bedeutung. „Unser Anspruch in der Praxis ist, dass jeder mit einem akuten Anliegen noch am selben Tag einen Termin bekommt. Diese können, in Abstimmung mit dem Arzt, auch vom Physician Assistant durchgeführt werden, wodurch mehr Zeit für die Patienten bleibt, die dringend meine ärztliche Expertise brauchen,“ sagt von Meißner.
Dieser Gedanke der Teampraxis ist auch ein zentraler Bestandteil des HÄPPI-Konzepts des Hausärztinnen- und Hausärzteverbands, das Professor von Meißner als Vorstandsmitglied des HÄVBW aktiv mitgestaltet hat. Die Umsetzung solcher Strukturen sei nur durch die HZV möglich, was die Vorstandsvorsitzende des HÄVBW, Dr. Susanne Bublitz, unterstreicht: „Teamkonzepte wie HÄPPI sind in der Regelversorgung wirtschaftlich gar nicht darstellbar, da die Vergütung eines Teamkontakts oder auch die Delegation von Leistungen nicht vorgesehen sind“, dies sei nur in der HZV möglich.