06. März 2025
Johannes Bauernfeind: „Starke Partner mit gemeinsamer Vision“

iStock/MicroStockHub, Porträt: AOK BW
Herr Bauernfeind, herzlichen Glückwunsch zu zwei Millionen Versicherten im Hausarztprogramm der AOK BW. Haben Sie diesen Rekord gefeiert?
Vielen Dank! Gemeinsam feiern konnten wir leider nicht, aber wir – und sicherlich auch unsere HZV-Vertragspartner – freuen uns sehr über diese Entwicklung. Dieser Erfolg ist schließlich Teamarbeit. Seit 17 Jahren optimieren wir die HZV kontinuierlich, und bei der AOK Baden-Württemberg engagieren sich täglich viele Menschen dafür, den Vertrag weiterzuentwickeln und so die Versorgung kontinuierlich zu verbessern.
Was hat zur Einführung des Hausarztprogramms geführt und wie ist es gelungen, diese Innovation voranzutreiben?
Die gesetzlichen Entwicklungen spielten eine zentrale Rolle bei der Einführung der HZV. 2004 wurde sie mit dem GKV-Modernisierungsgesetz als Soll-Bestimmung eingeführt und 2007 durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz verpflichtend für die Krankenkassen. Doch auch inhaltlich gab es klare Gründe: Gutachten des Sachverständigenrats zeigten einen erheblichen Verbesserungsbedarf für chronisch kranke und multimorbide Menschen. In Baden-Württemberg konnte sich die HZV durchsetzen, weil sie auf das Verbesserungspotenzial in der ambulanten Versorgung gezielt reagierte und die Rolle der Hausärzt:innen stärkte. Entscheidend war zudem, dass starke Partner mit einer gemeinsamen Vision die Vertragsmechanik so gestalteten, dass sie praxisnah und bürokratiearm bleibt..
Vergleichen wir die Anfänge mit dem Status Quo – was sind die größten inhaltlichen Entwicklungen?
Es gibt zahlreiche Entwicklungen, auf die ich nur punktuell eingehen kann. Ein zentraler Fortschritt ist die Qualifizierung der VERAH®, die Hausärzt:innen entlastet. Ein Alleinstellungsmerkmal ist zudem die Verknüpfung mit Facharztverträgen, die nachweislich Krankenhausaufenthalte und Komplikationen bei chronisch Kranken reduzieren. Weiterhin wurde eine Software zur optimierten Arzneimittelverordnung eingeführt, das Modul für Kinder und Jugendliche etabliert und die klimaresiliente Versorgung ausgebaut. Letztere stärkt das Praxispersonal in Gesundheitsfragen zum Klimawandel und honoriert ärztliche Patientenberatung dazu. Diese und viele weitere Entwicklungen haben den HZV-Vertrag inhaltlich erheblich weitergebracht.
Der Versorgungsdruck in den Praxen steigt – wie begegnen Sie dieser Situation in der HZV?
Ein wichtiger Baustein ist das Thema Delegation. In der HZV werden akademische nichtärztliche Berufsgruppen in Hausarztpraxen explizit gefördert. Um aber das volle Potenzial einer Kompetenzerweiterung ausschöpfen zu können, braucht es bundesrechtliche Anpassungen, insbesondere mehr Rechtssicherheit bei Haftungsfragen. Auch die Förderung interprofessioneller Teamstrukturen ist ein Baustein, um den Druck zu verringern. Ich denke da beispielsweise an digitale Tools bei der Organisation und Zusammenarbeit in den Praxisabläufen. Es muss aber auch gelingen, das Gesundheitsbewusstsein und die Gesundheitskompetenz der Patientinnen und Patienten zu stärken, was zu einer reduzierten Inanspruchnahme bei leichten Erkrankungen führen kann.
Wie sieht Ihre Zukunftsvision für das Hausarztprogramm der AOK BW aus?
Die hausärztliche Versorgung verändert sich durch demografische, technische und medizinische Entwicklungen und erfordert effizientere Praxisabläufe. Schlüsselfaktoren sind die Delegation von Aufgaben, gezielte Steuerung, Digitalisierung und Patientenzentrierung. Telemedizin, digitale Kommunikationswege und Online-Terminvergabe sind bereits feste Bestandteile moderner Praxen. Zukunftsorientierte Hausarztpraxen werden digitale und persönliche Betreuung kombinieren und setzen auf eine starke Teampraxis, bei der Patient:innen von der am besten qualifizierten Berufsgruppe betreut werden. Diese Ansätze greift das HÄPPI-Konzept für interprofessionelle Versorgung auf. Es wird derzeit wissenschaftlich ausgewertet und man darf auf die Ergebnisse gespannt sein.