21. November 2024
Zukunft der hausärztlichen Versorgung: Treffen mit Minister Lucha
HÄVBW
„Vor wenigen Jahren musste eine Praxis in der Umgebung schließen und wir mussten fast über Nacht viele dieser Patientinnen und Patienten mitversorgen. Daran ist unsere Praxis fast zerbrochen, weil wir diesem Druck nur schwer standhalten konnten“, berichtet dr. Lutz Weber, „aktuell sind fast 40 % der Hausärzteschaft in der Umgebung über 60 Jahre alt und es ist absehbar, dass über kurz oder lang eine ähnliche Situation wieder ins Haus steht. Dafür braucht es Lösungen.“
Der Minister unterstützte dies mit deutlichen Worten: „Wir müssen Sie in der Basis stärken! Denn Ihre Leistungsfähigkeit sichert die Regelversorgung und hierfür braucht es auch eine saubere Steuerung.“ Die in der Hausarztzentrierten Versorgung (HZV) umgesetzte Steuerung leiste hier bereits einen wichtigen Beitrag. Ute und Axel Rieber, die in ihrer Hausarztpraxis in Biberach mit einer Kollegin etwa 3.000 Patient:innen versorgen, betonten: „Ohne die HZV wären bei uns die Lichter aus. Wir versorgen mehr denn je, erhalten jedoch in der Regelversorgung weniger Geld, da wir budgetiert werden.“
Minister Lucha bedauerte, dass die im GVSG vorgesehene Entbudgetierung der hausärztlichen Leistungen aufgrund der gescheiterten Ampel-Koalition in Berlin in dieser Legislaturperiode voraussichtlich nicht kommen wird und betonte: „Wir müssen es auf alle Fälle schaffen, frühzeitig an die neue Bundesregierung die Botschaft zu senden, dass die Entbudgetierung dringend umgesetzt werden muss!“ Insgesamt sieht er, dass die Hausarztpraxen Spielraum brauchen, den ihnen die HZV-Verträge geben: „Wir brauchen deutlich mehr Hausarztzentrierte Versorgung, mehr Vertrauensmodelle und weniger Bürokratie.“
Auch die Zusammenarbeit der Versorgungsstrukturen wurde diskutiert. Der ungesteuerten Öffnung des stationären Bereichs für Hausarztmedizin, wie in der noch zu beschließenden Klinikreform vorgesehen, erteilte die anwesende Vorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverbands Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth eine Absage: „Mit diesem Plan haben wir große Bauchschmerzen. Wenn die Kliniken ungesteuert auch hausärztliche Medizin anbieten dürften, würde dies dazu führen, dass in diesem Umfeld keine funktionierende hausärztliche Versorgung mehr möglich wäre. Die Praxen könnten im Wettbewerb um Fachkräfte nicht mithalten. Es ist außerdem naiv zu glauben, dass der Chefarzt aus der Klinik mit dem wehenden Kittel auf den Hausbesuch fährt.“ Viel eher sei Rosinenpickerei zu befürchten und die Versorgung von Pflegeheimen oder in der Häuslichkeit werde leiden. Ihr klarer Appell: „Solche Angebote dürfen nur in Kooperation mit den Hausärztinnen und Hausärzten vor Ort stattfinden.“
Minister Lucha sagte abschließend: „Wir wollen keine Konkurrenz, sondern Kooperation. Statt nebeneinander muss additiv gearbeitet werden. Jeder hat im richtigen Kontext seine Aufgabe.“ Wie diese Versorgung auszugestalten sei, müsse man gemeinsam erarbeiten und hierfür sei der offene Austausch unverzichtbar.
Bild oben: Gemeinsam mit Landesgesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) waren die Bundestagsabgeordnete für Biberach, Anja Reinalter (Grüne), der Landtagsabgeordnete für Ulm Michael Joukov (Grüne), die Vorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverbands Baden-Württemberg, Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth und der Hausarzt und die Hausärztin Axel und Ute Rieber aus Biberach in die Praxis von dr. Lutz Weber und Dr. Steffen Gauß gekommen.