14. März 2025

Expertenrunde einig: KI kann Hausärzt:innen nicht ersetzen

Tom Weller

Der 23. Baden-Württembergische Hausärztinnen- und Hausärztetag ist in vollem Gang. Am Freitagnachmittag erwartete die rund 300 Gäste der berufspolitischen Diskussion eine hochspannende Debatte zu einer Technologie, die den Alltag und die Arbeitswelt vor einen Wandel stellt: Künstliche Intelligenz (KI). Unsere Podiumsgäste aus Gesundheitswesen und Wissenschaft waren sich mit dem Publikum einig: Das Potenzial ist riesig, aber Hausärzt:innen bleiben unersetzlich.
 

Das Motto des 23. Baden-Württembergischen Hausärztinnen- und Hausärztetags „Innovative Praxis – KI in der hausärztlichen Versorgung (?)“ bestimmte auch die berufspolitische Diskussion. „Ein Blick in die Zukunft hat an dieser Stelle Tradition“, betonten die Co-Vorsitzenden des Hausärztinnen- und Hausärzteverbands Baden-Württemberg (HÄVBW), Dr. Susanne Bublitz und Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth. 
 

Podium, Avatar und digitale Abstimmung

Das Interesse an der berufspolitischen Diskussion war groß, das Thema künstliche Intelligenz topaktuell. Greifbar wurde es direkt zu Beginn: Prof Dr. Wilhelm Niebling, Hausarzt und Leiter des Lehrbereichs Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Freiburg, stimmte das Publikum als Avatar per Videoclip auf die Diskussion ein. Dabei stellte das digitale Double klar: „KI wird das Gesundheitssystem verändern, deshalb müssen wir uns im hausärztlichen Bereich damit auseinandersetzen.“ Mit der provokanten Frage, ob Arztbesuche bald der Vergangenheit angehören werden, läutete der Avatar eine angeregte Debatte ein, in die Moderatorin Cornelia Wanke, Unternehmerin, Co-Vorsitzende der Spitzenfrauen Gesundheit und ehrenamtliche Vorständin der Healthcare Frauen e. V, ebenso das Publikum per digitaler Abstimmung einbezog.
 

Hybride Versorgung: KI kommt, Hausärzt:innen bleiben

Dr. Susanne Bublitz machte bei allem Nutzen der KI gleich zu Beginn deutlich: „Hausärztinnen und Hausärzte werden aus der Hausarztpraxis nicht wegzudenken sein. Unsere Patient:innen erwarten die menschliche Interaktion.“ Ein zentrales Einsatzgebiet der KI sah sie an den Stellen „wo große Datenmengen anfallen, wo Daten strukturiert und ausgewertet werden müssen“. Als Beispiel nannte sie die Transkription von Patientengesprächen und die Überführung in die Patientenakten, aber auch die Auswertung der stetig wachsenden Datenmengen hinsichtlich Wechselwirkungen und Nebenwirkungen. „Wir brauchen genau die Zeit, die uns KI an dieser Stelle verschafft, um die Patient:innen, bei denen es notwendig ist, in der Behandlung weiterzubegleiten.“

Auch Mark Langguth, freiberuflicher Berater für nutzerzentrierte eHealth-Projekte und anerkannter Experte für die TI, sah angesichts der „vielen analogen Prozesse“ in der Hausarztpraxis großes Potenzial für Elektrifizierung und Digitalisierung. Die wichtige Abgrenzung zur KI machte er deutlich: „KI fängt dort an, wo der Automat anfängt, neue Lösungen zu finden.“

Auf den Unterschied zwischen digitalen und KI-gestützten Anwendungen wies auch Dr. Rita Bangert-Semb, kooptiertes HÄVBW-Vorstandsmitglied mit Schwerpunkt Digitalisierung, hin. Für sie ist klar: „Wir müssen das erhalten, was wir gut können – den von Empathie geprägten Patientenkontakt.“ Bei der Behandlung komplizierter Krankheitsfälle sah sie in der KI keine Alternative zum persönlichen Kontakt. Große Chancen beim Einsatz von Digitalisierung und KI bestehen für sie hingegen „in dem großen Komplex Service in der hausärztlichen Versorgung“.

„Wir werden es nicht schaffen, den Bedarf an zusätzlicher hausärztlicher Arbeitszeit zu decken“, betonte Thomas Ballast, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse. Digitalisierung und KI seien vor diesem Hintergrund „ein Mittel, damit Hausärzt:innen ihre Arbeit auch in Zukunft gut leisten können.“ Er sah in der Ersteinschätzung von Krankheitsfällen durch KI eine gute Möglichkeit, um Hausarztpraxen zu entlasten: „Husten, Schnupfen, Heiserkeit dürfen die Praxen nicht verstopfen.“

Gordana Marsic, Vorstandsmitglied der AOK Baden-Württemberg, sprach sich ebenfalls für ein hybrides Modell aus: „Wir können KI gut nutzen, aber es braucht weiterhin Hausärzt:innen. Sie übernehmen eine ganz zentrale Rolle in der Patientenversorgung und -steuerung.“ Wichtig sei es, die Digitalkompetenz der Menschen zu stärken und KI auch verstärkt im Bereich Prävention zu nutzen.

Wie wird also die digitale Hausarztpraxis 2030 aussehen? Zum Abschluss zeichneten die Podiumsgäste ein übereinstimmendes Zukunftsbild: KI wird die hausärztliche Versorgung verändern, Besuche in der Hausarztpraxis werden aber nicht der Vergangenheit angehören.

 

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